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KURZBIOGRAPHIE DES HEILIGEN DNYANESHWAR (Jnanadeva)

von V. V. Shirvaikar


(Ergänzung zur Dnyaneshwari)


 

Der Heilige Dnyaneshwar (Jnanadeva) war das zweite von vier Kindern von Vithalpant und Rukminibai Kulkarni, einem frommen Ehepaar aus dem Dorf Apegaon nahe Paithan (früher Prathishthan) in Maharashtra am Ufer des Godavari-Flusses.

Vithalpant studierte die Veden und Shastras und war in ihnen schon in jungen Jahren sehr bewandert. Als sehr frommer und den weltlichen Dingen gegenüber reservierter Mensch verbrachte er die meiste Zeit seines Lebens mit Wallfahrten. Während einer Pilgerfahrt war er in Alandi, ca. 30 km vin Puna entfernt, und übernachtete im örtlichen Hanuman-Tempel. Sidhopant, ein örtlicher Brahmane, war von dem jungen Mann sehr beeindruckt und hielt ihn für eine gute Partie für seine Tochter Rukmini. Er sprach mit Vithalpant und schlug die Heirat vor, nachdem er Erkundigungen eingeholt hatte. Vithalpant lehnte zunächst ab, da er überhaupt kein Interesse hatte, eine Familie zu gründen, stimmte aber später zu, nachdem er in einer Vision entsprechende Instruktionen erhalten hatte.

Nach der Hochzeit blieb Vithalpant einige Zeit in Alandi, aber mangels Interesse am Familienleben wurde er von seinem Schwiegervater nach Apegao geschickt, wo Vithalpants Vater Govindpant und seine Mutter sich freuten, ihren verheirateten Sohn wiederzusehen. Leider starben die Eltern kurz darauf und überließen Vithalpant die Verantwortung für die Familie. Dieser wurde mangels interesse an weltlichen Dingen mit der Aufgabe nicht fertig, und so holte Sidhopant schließlich das Ehepaar zurück nach Alandi unter seine Fittiche. Das berührte Vithalpant jedoch wenig; eines schönen Tages ging er los, im Fluß ein Bad zu nehmen, und ging nach Varanasi, anstatt zurückzukehren.

In Varanasi traf Vithalpant den großen Heiligen Ramanandswami. Die Tatsache verschweigend, dass er verheiratet war, bat er Ramanandswami, ihn als Schüler anzunehmen und als Sanyasi zu weihen. Nun kann aber nach den Regeln kein Verheirateter ein Sanyasi werden,, es sei denn, seine Frau erlaubt es ihm. Das Ritual, um die sanyas (Weihen) zu empfangen erfordert, dass die Rituale für einen Toten zelebriert werden. Die ganze Vergangenheit des Einzuweihenden wird als ausgelöscht betrachtet, und er bekommt einen neuen Namen. Vithalpant wurde in Chaitanyashram umgetauft.

Eines Tages ging Ramanandswami auf Pilgerfahrt nach Rameshwar und machte in Alandi Halt. Während dieser Zeit besuchte ihn Rukminibai, die ihre Zeit mit Gebeten und anderen geistigen Tätigkeiten verbracht hatte, um ihren Kummer zu ertränken, und er gab ihr seinen Segen Putravati Bhava (Mögest Du Kinder haben). Rukminibai fing bei diesen Worten an zu lachen und als sie um eine Erklärung gebeten wurde, erzählte sie dem Swamiji, dass ihr Ehemann sie verlassen hatte. Der Swamiji befragte sie und erkannte, dass die Beschreibung des Ehemanns auf seinen Schüler Chaitanyashram passte. Gemäß den shastras hatte auch er Schuld, weil er Vithalpant geweiht hatte. Er brach sofort die Wallfahrt ab, kehrte nach Varanasi zurück und befragte Chaitanyashram, der seine Schuld eingestand. Er befahl Chaitanyashram, sofort zu seiner Frau zurückzukehren und eine Familie zu gründen.

Vithalpant kehrte nach Alandi zurück, wurde aber aus der Gemeinschaft exkommuniziert; denn es war einmalig und gegen die shastras, das geweihte Leben zu verlassen und wieder ein Familienleben zu führen. Vithalpant richtete es ein, dass er seine Zeit mit dem Studium der Veden und Shastras zubrachte. Im Lauf der Zeit wurden dem Ehepaar vier Kinder geborem: Nivrutti im Jahr 1273, Dnyandeo (Dnyaneshwar) 1275, Sopan 1277 und als Vierte eine Tochter, Muktabai, im Jahr 1279. Alles ging gut, bis Nivrutti sieben Jahre alt war. Mit diesem Alter müssen sich die Jungen mit Brahmanen als Eltern der Perlenzeremonie unterziehen und als Brahmanen in die Gemeinschaft aufgenommen werden.Er bat die Brahmanen von Alandi um Erlaubnis für die Perlenzeremonien, aber die konservative orthodoxe Gemeinschaft lehnte ab.

In seiner tiefen Not ging Vithalpant mit seiner Familie nach Triambakeshwar (nahe Nasik), um im Shiva-Tempel den Gottesdienst zu besuchen. Triambakeshwar ist einer der zwölf Jyotirlingas, oder Leuchtenden Lingas, von Lord Shiva. Während sie eines nachts die pradakhina (Umgehung) des Tempels durchführten, trafen sie auf einen wilden Tiger (im dreizehnten Jahrhundert war diese Gegend ein tiefer Wald). Die Familienmitglieder rannten Hals über Kopf auseinander und wurden getrennt. Nivrutti wanderte in eine Höhle am Anjani-Berg, wo Gahininath, einer der neun Naths, seit einiger Zeit weilte. Gahininath war von Nivrutti angetan und weihte ihn trotz dessen jugendlichem Alters als ein Mitglied des Nath-Ordens. Er wies im das Mantra "Ramakrishna Hari" zu und unterwies ihn, die Verehrung von Shri Krishna zu verbreiten. So wurde aus Nivrutti Nivruttinath. Die Exkommunikation berührte diesen alles nicht, weil der Nath-Orden sich nicht um das Kastensystem kümmert, und weil dieses System - wenn auch gesellschaftlich beachtet - in geistigen Dingen ignoriert wird.

Alle vier Kinder waren sehr intelligent und fromm. Sie studierten mit ihrem Vater die Veden und Shastras, konnten aber nicht in die Brahmanengemeinschaft gelangen oder deren Schulen besuchen, weil sie exkommuniziert waren. In seiner Verzweiflung ging Vithalpant nach Apegaon und bat die dortigen Brahmanen um Hilfe. Diese meinten nach Studium der Shastras, dass der Tod die einzige Sühne für das Vergehen sei. In einem hoffnungslosen Gemütszustand verließen Vithalpant und Rukminibai ihre vier Kinder in Apagaon, reisten nach Prayag und ertränkten sich im Ganges.

Die Waisenkinder wuchsen irgendwie auf indem sie bei symphatischen Leuten um Almosen zum Essen bettelten. Im Laufe der Zeit traten sie auch an die Brahmanengemeinschaft von Paithan heran, sie nach allen nötigen Reinigungszeremonien als Brahmanen zu akzeptieren, aber die Gemeinschaft lehnte ab. In Anbetracht des ausgezeichneten Benehmens und des Lerneifers der Kinder erlaubte sie ihnen aber, unter der Bedingung in der Gemeinschaft zu leben, dass sie nicht heiraten und keine Nachkommen in die Welt setzen. Das war 1287, als Dnyndeo zwölf Jahre alt war.

Zu dieser Zeit weihte Nivruttinath Dnyandeo als Mitglied des Nath-Ordens und befahl ihm, einen Kommentar zur Gita zu schreiben. So ergab sich die seltene Situation, dass ein vierzehnjähriger Guru seinen zwölfjährigen Schüler unterwies, etwas zu schreiben, das inzwischen Hoffnung der Menschheit geworden ist. Die Kinder zogen um nach Nevase, eine Stadt am Pravara-Fluss im Nagar-Distrikt. Dort begann Dnyandeo mit seinem Gita-Kommentar. Er pflegte hierüber einer Gruppe Suchender Vorträge zu halten, von denen einige dem Nath-Orden angehörten, aber viele Anhänger des Pfades der Ergebung waren. Ein ortsansässiger Schüler namens Sacchinanandbaba schrieb alles nieder, was Dnyandeo sagte. Ein prominenter Zuhörer war der Heilige Namdeo, der bekannt war für das Wunder, als Vithoba, die herrschende Gottheit von Pandharpur, das Nahrungsopfer gegessen hatte, das Namdeo als Junge gebracht hatte. Dnyandeo und Namdeo waren sich schon in Pandharpur begegnet und hatten Freundschaft geschlossen.

Es gibt eine Legende um den eben erwähnten Sacchitanandababa. An dem Tag, als Nivruttinath, Dnyandeo und andere nach Nevase kamen, war Sacchitanandababa gerade gestorben und wurde in Begleitung seiner Frau Soudamini, die Sati begehen (sich selbst verbrennen) wollte, zum Verbrennungsplatz getragen. Jemand sagte, dass ein Heiliger in die Stadt gekommen sei und schlug Soudamini vor, sie sollte dessen Segen erbeten, bevor sie Sati beging. Sie fand Dnyandeo meditierend unter einem Baum sitzen. Sie verbeugte sich vor ihm, und er segnete sie mit den Worten "Akhand Saubhagyavati Bhava" was bedeutete "Mögest Du nie eine Witwe werden." Als er aus der Meditation erwachte, erkannte er die seltsame Situation, aber durch Gebete zu Gott und seinem Guru und durch seine Kräfte brachte er Sacchitanandababa zum Leben zurück. Letzterer wurde für den Rest seines Lebens sein ihm ergebener Anhänger.

Dnyandeo begann mit seinem Kommentar, den er zunächst Bhavarthadeepika nannte, im Jahr 1287, als er gerade mal zwölf Jahre alt war. Er schloss sie zweieinhalb Jahre später im Jahr 1290 ab. Zu der Zeit hatte er mit Namdeo eine enge Freundschaft geschlossen. Er hatte auch erkannt, dass der Yoga-Pfad, auf den der Nath-Orden großen Wert legte, nicht von jedermann leicht befolgt werden konnte, und dass der Pfad der Hingabe der Schlüssel für alle Suchenden war, unabhängig von Kaste, Glauben oder Geschlecht. Vielleicht war er hierin von Namdeo beeinflusst worden, der von Beruf Schneider war und daher traditionsgemäß zur Shudra-Kaste gehörte.

Kurz nach der Vollendung der Bhavarthadeepika schloss sich Dnyandeo, wahrscheinlich unter dem Einfluss von Namdeo, der varkari-Bewegung an und wurde praktisch ihr Anführer. Der Varkari-Orden ist bekannt unter diesem Namen, da es nach ihm wesentlich ist, Pandharpur mindestens zweimal im Jahr zu besuchen, und zwar an den Ekadashi-Tagen, d.h. dem elften Tag nach Mondkalender, der Monate Ashdh (fällt in den August) und Kartik (fällt in den November). Die Hingabe richtet sich auf Vithoba, die Hauptgottheit von Pandharpur, der mir Shri Krishna identisch ist. Eine Besonderheit des entsprechenden Götterbildes in Pandharpur ist, dass es eine Krone mit dem Bild Sivalingas trägt und damit die Shaivaites und die Vaishnavaites miteinander verbindet. Dieses Götterbild war normalerweise in Karnatake und wurde später nach Pandharpur gebracht. Wegen der Anhänger dieses Ordens schrieb Dnyandeo die Amritanubhava, wieder in Versform, die geistige Themen und die Hingabe behandelte. Die Dnyaneshwari und die Amritanubhava sind heute für den Varkari-Orden heilige Texte.

Dann begleitete Dnyandeo Namdeo und einige andere Anhänger des Hingabe-Pfades, wie Savata Mali, und begann eine Pilgerfahrt zu allen heiligen Orten im Norden, Osten und Westen Indiens. Sofort nach seiner Rückkehr nach Alandi, im Jahr 1296, wünschte Dnyandeo, seinen Körper zu verlassen und zu sterben. Er wählte den dreizehnten Tag der dunklen zwei Novemberwochen für das endgültige samadhi. Die Menschen versammelten sich für die letzten bhajans usw. Dnyandeo umarmte seine Brüder und seine Schwester und enge Freunde wie Namdeo. Alle hatten Tränen in den Augen, als er die Höhle betrat und sich in der Yoga-Stellung hinsetzte. Die Höhle wurde mit einem Stein versiegelt und Dnyandeo verließ mittels einer Yoga-Prozedur seinen Körper. Zu dieser Zeit war Dnyandeo gerade 21 Jahre alt.

Innerhalb von anderthalb Jahren nach diesm Ereignis verließen seine Brüder und seine Schwester ebenfalls die materielle Welt. Sopandeo starb in Saswad bei Puna. Nivruttinath war mit seiner Schwester auf einer Pilgerfahrt am Fluss Tapi, als beide von einem Gewitter überrascht wurden. Im Röhren von Donner, Regen und Blitz verschwand Muktabai spurlos. Etwas später starb Nivrittinath in Triambakeshwar. Dieses war das Ende einer ungewöhnlichen Familie, die die Welt spirituell erleuchtete und dieses heute noch tut. Alle Kinder waren spirituell hochentwickelte Personen. Als Muktabai noch Teenager war, wurde sie z.B. Guru eines vollendeten Yogi namens Changdeo, den man für mehrere hundert Jahre alt hielt.

Bald nach diesen Vorgängen begann die moslemische Invasion Indiens, die das religiöse und geistige Leben dort beeinträchtigte und eine Goldene Ära der Spiritualität beendete. Es wurde immer schwieriger, sich auf vari und Pilgerfahrten zu wagen. Viele Familien verwahrten aber Abschriften der Dnyaneshwari und lasen sie regelmäßig. Durch das Abschreiben und vielleicht durch Hinzufügen eigener Texte wurden viele Abschriften korrumpiert. Dreihundert Jahre später sammelte der Heilige Eknath im Jahr 1584 einige Abschriften und bereitete nach sorgfältigen Untersuchungen eine gute Abschrift mit möglichst wenig geändertem Text. Sogar heute zeigen verschiedene Ausgaben leichte Unterschiede im Inhalt - sei es bezüglich der Wortwahl (und damit eventuell des Sinns) oder der Anzahl der ovis. Dieses ist aber, außer für einen Historiker, kein gravierender Sachverhalt.

 

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