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YOGIRAJ SHRI SHANKAR MAHARAJ

 KAPITEL XV

ANHÄNGE

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DAS WESENTLICHE AUS DER DNYANESHWARI

Dnyaneshwar Maharaj rät entsprechend der Gita den Suchenden folgendes. Der Einzelne ist in Wirklichkeit die unvergängliche Seele des Selbst, die den Körper zu Lebzeiten besitzt; er ist nicht der vergängliche Körper, für den er sich irrtümlich hält. Die Seele oder das Selbst ist das ultimative Prinzip Brahman, aus dem dieses Universum geschaffen wurde und das es durchdringt. Das Selbst ist ohne Gestalt und Eigenschaften. Es ist dasselbe wie der Allmächtige Gott, im Unterschied zu den Gottheiten, die die Menschen anbeten. Die Gottheiten sind nur ein Mittel, um das gestaltlose, eigenschaftslose Brahman (oder Gott) mit einer bestimmten Gestalt mit Eigenschaften in Verbindung zu bringen, die der Mensch sich dann vorstellen und anbeten kann und über die er meditieren kann.

Beim Tod verlässt die Seele den Körper, um später in einem anderen Körper wiedergeboren zu werden - so wie man alte Kleidungsstücke wegwirft und neue trägt. Beim Verlassen des Körpers trägt die Seele die unerfüllten Wünsche und die Folgen der Handlungen oder karmas mit sich. Gute karmas heben keine schlechten auf. Wird der Mensch wiedergeboren, erfährt er Freuden durch die guten karmas und Leid durch die schlechten karmas seiner vergangenen Leben. Dazu wird er schon in einer geeigneten Familie oder in entsprechenden Bedingungen geboren. Dieser Zyklus der Wiedergeburt wiederholt sich tausende von Malen, und in jedem Leben können nur die Lasten der karmas, der guten und der schlechten, vergrößert werden. Das Ziel jedes geistig Suchenden (sadhak) ist die Befreiung von diesem Zyklus, d. h. er versucht, Moksha zu erlangen. Diese Befreiung kommt mit der Beseitigung des Unwissens (avidya), wenn das "Ich-bin-der-Körper"-Gefühl durch die Erfahrung der Selbst-Erkenntnis beseitigt wird. Der Mensch erkennt dann, dass er wirklich der Körper sondern die unvergängliche Seele oder Brahman ist. Diese Weisheit liegt anders als materielle Informationen jenseits der Sinneserfahrung und muss innerlich erlebt werden.

Bevor ein Individuum als menschliches Wesen geboren wird, muss es einige Millionen Geburten (8,4 Mio) in der Form niedrigerer Lebewesen hinter sich haben. Auf diese Weise ist schon die Geburt eines menschlichen Wesens ein langwieriger Prozess, aber erst wenn der Einzelne wiederholt als Mensch geboren wird und geistige Fortschritte gemacht hat, kann er zum Einssein mit Gott zurückkehren. (Nur menschliche Wesen können geistige Fortschritte machen, weil sie Geist und Verstand haben. Daher sagte Maharaj, dass schon die Tatsache, als Mensch geboren zu werden, ein Fortschritt ist.)

Je nach Veranlagung kann der Suchende folgende vier Pfade zur Selbst-Erkenntnis beschreiten. Es sind dieses:
(i) Der Pfad der Weisheit (Jnanayoga), auf dem man untersucht und darüber nachdenkt, was allgemein gültig ist und wer man selbst ist.
(ii) Der Yoga-Pfad, auf dem die Ausübung des Yoga zum Erwecken der schlafenden Kundalini-Kraft fürt. Dieses Erwachen wiederum führt zum Erkennen des Brahman (Kundalini-Yoga).
(iii) Der Pfad des Handelns, bei dem man seine Pflichten sorgfältig und ohne Erwartung einer Belohnung erfüllt, sondern alle Handlungen und Ergebnisse Gott zu Füßen legt (Karmayoga). (iv) Der Pfad der HIngabe, bei dem der Suchende die ganze Zeit an Gott in einer selbstgewählten Vorstellung denkt und schließlich eins mit Ihm wird (Bhaktiyoga), wobei er jedoch auch nach der Vereinigung mit Ihm wieder getrennt werden möchte, damit Er weiterhin das Ziel seiner Verehrung sein kann.
(In Gita und Dnyaneshwari werden Gott oder Brahman mit Shri Krishna gleichgesetzt.)

Die Menschen versehen Gott, der ohne Gestalt und Eigenschaften ist, mit menschlichen Eigenschaften. Sie verehren diese so entstandenen Gottheiten und vollziehen Riten, um sie zu besänftigen, d.h. sie legen Gelübde ab, tuen Buße, beachten Fastenregeln und Askese, um damit ihre weltlichen Wünsche wie Ansammeln von Reichtum, Zeugen von Kindern und Anhäufenvon Macht erfüllt werden. Es gibt aber keinen Grund, den Körper durch Fasten und Anderes zu quälen, weil es letztlich der Allmächtige Gott ist, der ihre Wünsche erfüült und nicht die Gottheiten. Die Menschen sollten also Ihn durch das Beschreiten eines der vorgeschlagenen Pfade anbeten.

Nach der Lehre von Nath Panth ist das, was innerhalb des Körpers ist, auch das, was im Universum ist. Das bedeutet, dass Gott oder Brahman in dir ist und das dieses erkannt werden muss, jedoch nicht durch Lesen sondern durch die Erfahrung Seiner Gegenwart mittels Meditation.

Die Dnyaneshwari betont, dass der Geist durch Selbstbeherrschung (shama) und ordentliches Verhalten (dama) gereinigt und wunschlos gemacht werden muss. Sie warnt vor dem Ego und dem Zorn als den grüößten Feinden und Hindernissen auf dem spirituellen Weg, und die Suchenden, insbesondere die sich auf dem Pfad der Weisheit befinden, werden vor diesen beiden Feinden gewarnt. Sie warnt, dass Buchwissen und sogar geistiges Wissen zu einem aufgeblähten Ego führen kann, das der Selbst-Erkenntnis dann im Wege steht.

In der Dnyaneshwari werden die schwierigen Stellen der Gita mittels Bespielen und Gleichnissen erklärt. Bei vielen Punkten, wie der Bedeutung des Gurus, der Eigenschaften befreiter Personen, der Eigenschaften schlechter Personen, den Auswirkungen der drei Merkmale Sattva, Raja und Tama, usw., geht die Dnyaneshwari ins Detail. Sie führt in das Kundalini-Yoga ein:
- Aussuchen eines geeigneten Ortes zum Meditieren,
- Einnehmen der Vaijrasana-Stellung,
- Hinweise, wie man meditatiert,
- Vorgang beim Erwecken der Kundalini,
- Aufstieg der Kundalini durch die verschiedenen Chakren bei weiterer Yoga-AusüUuml;bung,
- Reinigung des Körpers beim Aufstieg der Kundalini und
- schließlich Öffnen der Brahmarandhra und Vereinigung des Suchenden mit dem Brahman.

Die Dnyaneshwari betont, dass man nicht auf Handeln verzichten kann, selbst wenn man dr Welt entsagt und ein Sanyasi wird. So lange es einen Körper gibt, gibt es auch Handlungen. Selbst wenn man nicht handeln möchte, tut der Körper etwas um zu überleben, wie atmen, essen, gehen,sehen usw. Man soll daher nicht seine Pflichten aufgeben sondern die vorgeschriebenen Pflichten erfüllen, die einem gemäß der angeborenen Kaste zukommen. Man soll immer Gleichmut bewahren und sich bei der Erfüllung seiner Pflichten nicht über Erfolg freuen, über Misserfolg traurig sein.

Die Dnyaneshwari legt Wert auf die Verbindung der beiden Wege der Handlung und der Hingabe. Das bedeutet, dass Handlungen mit dem Gefühl tiefer Hingabe zu Gott ausgeführt werden sollen, wobei Er als die Ursache und die Kraft angesehen wird, die diese Handlungen durch einen durchführen lässt, und nicht das Ego. Diese Haltung entspricht derjenigen, bei der man Ihm die Handlungen und die Ergebnisse der Handlungen als Opfer darbringt. Die Kombination dieser beiden Pfade ist der am leichtesten zu befolgende Weg und entspricht der "Duty First"-Einstellung Maharajs. Man muss im Auge behalten, dass der Bezug auf die kastengemäßen Pflichten aus der sozio-religiösen Lage Indiens zur Zeit der Abfassung der Gita heraus zu sehen ist, d.h. der Mitte des 5. Jahrunderts v.Chr. Heute ist das so nicht anwendbar und muss durch den Verweis auf die sozialen und beruflichen Pflichten ersetzt werden.

Die Dnyaneshwari endet mit Gebeten (Pasayadana) zum Höchsten, in denen dieser um seine Gnade gebten wird, den Bewohnern des gesamten Universums Glück zu gewähren. Die Übersetzung der Pasayadana lautet:
 

Möge nun der Höchste Gott, der die Seele des gesamten Universums ist,
        mit meinen Ausführungen zufrieden sein und mir seinen Segen geben.
Mögen die Übelwollenden von ihren finsteren Absichten lassen und
Mögen sie vielmehr Gefallen an guten Taten finden und
Mögen alle Menschen Freundschaft zueinander entwickeln.
Möge das Universum die Dunkelheit der Sünde verlieren,
Möge die Morgenröte der gerechten Pflichterfüllung kommen und
Mögen die Wünsche aller Geschöpfe erfüllt werden.
Möge die Gemeinschaft der Anhänger Gottes, die
        alles Günstige auf dieser Erde fördern wollen, alle Geschöpfe erreichen.
Diese Anhänger sind wandelnde Samen des Wunsch-Baumes
      eine Gemeinschaft von Wunsch-Steinen oder redende Ozeane von Nektar.
Mögen diese Heiligen, die wie der makellose Mond sind oder
     wie die Sonne ohne ihre sengende Hitze, Freunde
       und Verwandte allen Geschöpfen sein.
Was könnte ich mehr wünschen?
Mögen alle Geschöpfe der drei Welten vollkommen sein
     und glücklich, und
Möge jedes Geschöpf den Wunsch nach endloser Hingabe gegenüber
      dem Ursprünglichen Höchsten Sein haben. Und
Mögen diejenigen, die von diesem Buch Nutzen haben,
    in dieser und der nächsten Welt glücklich werden.

Als der Herr des Universums dieses hörte, sagte er:
    "Ich habe dir diese Bitte gewährt."
Und dieser Segen machte Shri Dnyanadeo sehr glücklich.

                                                                   Dnyaneshwari (18:1794-1802)

In der Dnyaneshwari wird betont, dass Gott sich nicht um Spender der Reichen kümmert. Auf der anderen Seite übertreffen ein mit Liebe gegebenes Blatt oder ein mit Liebe gegebener Wassertropfen alle anderen Opfergaben und erfreuen Ihn unendlich, unabhängig von Kaste oder Geschlecht des Gebers. Gott wird sogar zum Diener eines solchen Anhängers, wozu Er, der gestaltlose Brahman, eine menschliche Gestalt oder die einer Gottheit annimmt, um dem Anhänger körperlich nahe zu sein. Beispiele folgen im nächsten Abschnitt.

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GOTT DIENT DEN ANHÄNGERN

Die Biographien von Anhängern Vitthals von Pandharpur sind voller Geschichten, in denen Shri Krishna menschliche Gestalt annimmt, um seine Anhänger aus Schwierigkeiten zu befreien, alles aus Liebe und Hingabe dem Anhänger gegenüber.

Der Heilige Eknath war Bürgermeister von Beruf. Täglich besuchten ihn viele Leute, um ihn als Bürgermeister und als Heiligen zu sprechen. Seine Frau brauchte also dringend Hilfe im Haushalt. Um Eknath zu helfen, kam Shri Krishna in Gestalt von Shrikhndya, einem jungen Mann, und bot seine Hilfe als Hausangestellter an. Dieses wurde erst einige Jahre später entdeckt, als einem Anhänger in Gujarat, der Shri Krishna dienen wollte, im Traum mitgeteilt wurde, dass Er nicht in Dwarka, sondern im Hause Eknaths sei.

Ein anderes Beispiel ist das vom königlichen Friseur Sena, der bei einem Moslemkönig angestellt war. Sena rasierte täglich den König. Eines Tages kam er nicht zum Dienst, weil er einige Heilige treffen wollte, die ihn besuchten. Der König wollte gerade einige Soldaten losschicken, die Sena festnehmen sollten, als Shri Krishna in der Gestalt Senas auftauchte und den König bediente. Durch die göttliche Berührung verschwanden auch einige chronische Krankheiten des Königs. Später, als der richtige Senna erschien, erkannte der König, wer ihn rasiert hatte, und er wurde ein Schüler Senas.

Als Damaji in Mangalwedhe, ein Anhänger Shri Krishnas, während einer Trockenperiode Getreide aus den königlichen Vorräten an das Volk verteilte, schickte der Moslemkönig, für den er arbeitete, Soldaten, um ihn fetzunehmen. Da erschien Shri Krishna als der Buchhalter Vithu, um das Getreide zu bezahlen, und rettete ihn so vor der Wut des Königs.

Es ist jedoch nicht nur Vitthal, der so seinen Anhängern hilft. Es gibt eine Geschichte, in der Lord Dattatreya seinem Anhänger Dasopant (1551-1615) gegen Herrscher des Bahamani-Königreichs Bidar auf ähnliche Weise hilft, in der Damaji gerettet wurde. Dasopants Vater Digambarpant hatte während einer Dürre Getreide aus den Regierungsvorräteverteiltn an das Volk. Der König wurde wütend und nahm seinen Sohn als Geisel, mit der Drohung, ihn nach einem Monat zum Islam zu konvertieren, wenn das Getreide nicht bezahlt würde. Digambarpant und Dasopant beteten beide tief zu Dattatreya um HIlfe, als plötzlich ein Unbekannter erschien, seinen Namen mit Datta Padewar angab und die verlangte Summe bei der Schatzkammer abgab. Dasopant kam frei und widmete sein weiteres Leben vollständig dem Dienst an Lord Dattatreya.
Auf ähnliche Weise verkehrten der Heilige Tulsidas mit Shri Rama und Hanuman und Ramakrishna Paramahansa mit Mutter Kali.

BIOGRAPHIE:   Portal  :  Kap. I-III  :  Kap. IV-V :  Kap.  VI-VII  :  Kap. VIII-X    Kap.  XI–XII  :   Kap.  XIII-XIV  :  Kap.  XV Anhänge
GLOSSAR und LITERATUR:         GLOSSAR          :           LITERATUR 
BIOGRAPHY:   Entry Page  :  CH. I-III  :  CH. IV-V :  CH.  VI-VII  :  CH. VIII-X  :  CH.  XI–XII  :   CH.  XIII-XIV  :   CH.  XV Appendices

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Alle Rechte am deutschen und englischen Text liegen beim Autor:
Adresse:    Dr V.V.Shirvaikar, A-23 Yashodhan Soc.
                    Chintamaninagar 2, Bibwewadi, Puna 411037, INDIEN
Email:          vshirvaikar@yahoo.com

Deutsche Übersetzung:   Dietrich Platthaus, Rüstermark 58, D-45134 Essen

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Letzte Änderung 2005-MAR-06